Western Road Trip

Eine Fahrt durch die Indian Territories im Jahr 2011

31. August 2011 Omaha

Vor dem Filmfestival in Toronto, das am 8. September beginnt, fahre ich noch einige Tage in den früheren Wilden Westen. Von Omaha, Nebraska, aus möchte ich mit einem Leihauto in das Gebiet fahren, das bis Mitte des 19. Jahrhunderts vorwiegend den Sioux gehörte. Nach der Eingliederung in die USA wurden daraus die Staaten Nebraska sowie South und North Dakota, wobei die Zweiteilung von Dakota schon mit einem Versuch der Republikaner um 1890 zusammenhing, die Zusammensetzung des Electoral Colleges zu ihren Gunsten zu gestalten.

Die Idee zu dieser Fahrt entstand während der Lektüre des Buches Wounded Knee. Party Politics and the Road to an American Massacre von Heather Cox Richardson, Professorin für Geschichte in Amherst, Massachusetts. Sie beschreibt darin den Zusammenhang zwischen der amerikanischen Auseinandersetzung über Wirtschaftspolitik und der Indianerpolitik im Gebiet westlich des Missouri River nach dem Bürgerkrieg. Obwohl ich vieles ungefähr schon gewusst hatte, war ich doch verblüfft über die vielen Parallelen, die es zur gegenwärtigen Situation der USA gibt.

Man kann die Vorgänge in der Pine Ridge Agency in South Dakota in vielerlei Hinsicht mit Geschehnissen aus den letzten zehn Jahren vergleichen - mit der desaströsen US-Politik in den ersten Jahren nach der Invasion im Irak in erster Linie. Und die extreme Spaltung der beiden politischen Lager gab es auch schon im späten 19. Jahrhundert, als die Republikaner sich in gleichem Maße als Partei der reichen Elite profilierten wie heute, mit dem unrühmlichen Höhepunkt des "extrem korrupten" Präsidenten Harrison in eben dem Jahr 1890, in dem amerikanische Soldaten das Massaker an rund 300 Minneconjou-Sioux anrichteten, um das das Buch kreist.

Richardson schreibt mit einem sicheren Gespür für "plotting", dabei dienen ihr die Brüder John und William Tecumseh Sherman als Protagonisten. Der eine sorgt von Washington aus für die Durchsetzung des "Republican economic systems", das einerseits strikt protektionistisch gegenüber Importen war, andererseits die Landreserven im Westen als eine Art Ventil für die stark unter Druck befindliche Arbeitnehmerseite nahm. Der andere setzte mit der US Army die angestammte Bevölkerung unter Druck.

"Boosters" hießen die Leute, die mit großen Versprechungen Leute aus dem Osten in die High Plains holten, in eine Gegend, von der Richardson schreibt, dass die extensive Landwirtschaft der Natives, die Büffel jagten, viel eher der Landschaft entsprach als das Ackerbauernideal, zu dem sie erzogen werden sollten.

Als ich gestern in Omaha über die Dodge, später die Western Dodge Road zu meinem Hotel fuhr (und dabei ein offensichtlich noch in Betrieb befindliches, altes Kino entdeckte, in dem am Wochenende Rushmore läuft!), hatte ich Mühe, mir vorzustellen, wie diese Landschaft vor der sechsspurigen Hauptstraße ausgesehen haben mag, die hügelab, hügelauf von Osten nach Westen verläuft, und von der man sich gut vorstellen könnte, dass sie mit den anliegenden Businesses (Bürogebäude, Shopping Malls, aber auch viele kleine Geschäfte wie die hier mehrfach zu sehenden CD-Shops, in denen ein gerade einmal dreißig Jahre altes Medium abgewickelt wird) einfach immer weiter gehen könnte - eine Geschäftsstraße so lang wie einst die Union Pacific Railroad.

Pine Ridge, Bismarck, Deadwood, Cheyenne - das sind die Stationen, die ich mir für die nächsten Tage vorgenommen habe. Das Ziel des Road Trips ist Denver am Sonntag.


1. September 2011 Pine Ridge


Irgendwo in den Sand Hills von Nebraska, westlich der Stadt Ainsworth, hat sich bei mir gestern eine kleine kognitive Dissonanz aufgelöst. Ich war auf der Landstraße unterwegs von Omaha nach Pine Ridge. Das Navigationssystem hatte mir die ganze Zeit eine vertretbare Ankunftszeit genannt, und je länger ich unterwegs war, desto unklarer wurde mir, wie ich das schaffen sollte. Dann passierte ich dieses Schild, das den Übergang in die Mountain Standard Time anzeigte, und damit war klar, dass ich einfach eine weitere Stunde dazurechnen musste.

So war ich dann insgesamt doch sehr lange im Auto an diesem ersten Tag, der mich aber erst so richtig aus dem "rural America" der Intensivlandwirtschaft in das "wilde" Amerika der entlegenen Ranches und der Reservate brachte. Den größten Teil des Wegs verbrachte ich auf der W275, die von Südost nach Nordwest quer durch Nebraska führt.

Es dauerte eine Weile, bis mir klar war, dass ich das Autoradio auf Kurzwelle laufen hatte, da war ich aber schon mitten drin in einem Programm des "Rural Networks", in dem stündlich die Weizen- und Sojapreise (und die entsprechenden "Futures") durchgegeben wurden, und in dem in einer Dave Ramsey Show den Menschen beim Sparen geholfen wird, die vor lauter Raten nicht mehr aus und ein wissen. Zu den Leistungen, die Ramseys Unternehmen anbietet, zählt auch Mealtime Makeover, man kann sich da Einkaufszettel in Entsprechung zum Schuldenstand zusammenstellen lassen ("Easy Dinner Menus for Busy and Frugal People").

Die Herkunft des billigen Fleisches konnte ich währenddessen die ganze Zeit rechts von der Straße sehen, wo riesige "feedlots" zum Teil den ganzen Horizont einnehmen. Ich kam nicht genau dahinter, warum ich deren Anblick fast ein wenig unheimlich fand. Es hat aber wohl mit einer Idee von Widernatur zu tun: In den "feedlots" steht das Vieh auf nackter Erde, damit es nicht grasen kann, sondern nur das Kraftfutter bekommt, das die Mast vorantreibt. Die Rinderzucht basiert also auf Erosion.

Dass es mit dem ländlichen Amerika nicht überall zum Besten steht, konnte ich in Orten wie Meadow Grove oder Neligh sehen, durch die ich kam, und die deutliche Zeichen von Entvölkerung erkennen ließen. Immerhin aber hielt ich in Neligh kurz bei einem Drive-In-Theater, das nicht so aussieht, als wäre es noch in Betrieb - die angekündigten Filme sind aber ganz aktuell.

Es dauerte weitere zwei Stunden, bis sich dann eben die Landschaft deutlich veränderte, und die Sand Hills begannen. Das entsprach dann schon deutlicher dem Bild von den unendlichen Weiten, das ich ja doch irgendwie gesucht hatte. (Gar nicht so leicht übrigens, sich auf diesen Straßen an die 65 Meilen-Beschränkung zu halten, es geht ja doch oft schnurgerade dahin, und viel Verkehr ist nicht.)

Als ich auch im Radio eine Station weitergeschaltet hatte, und eine deutlich nicht professionelle Moderatorin vor der Klapperschlangen warnte, die in der Umgebung eines Diabetes-Prevention-Fitness-Centers zu gewärtigen wären, war ich endgültig im Territorium der Lakotas angelangt. Die 45 Meilen von der Stadt Martin nach Westen ins Reservat waren eindeutig der Höhepunkt der Fahrt, leicht welliges Grasland mit kaum Besiedlung und sehr weitem Horizont. Als ich in Pine Ridge aus dem Wagen stieg, hatte ich erst einmal mit der Hitze zu kämpfen. Viel bekam ich dann nicht zu sehen. Der Ort ist klein und trostlos, sieht man von einem Krankenhaus ab, das gut gepflegt scheint, in dem aber vor allem Ärzte aus Zentralamerika arbeiten, wie mir später jemand erzählte.

Von Pine Ridge aus wurden im 19. Jahrhundert die Teton-Sioux betreut, hier entstand jene Infrastruktur aus Betreuung, Korruption, Umerziehung und Unterschlagung, die jede "Indianerpolitik" von vornherein scheitern ließ. Ich blieb nur eine Stunde in Pine Ridge, aß bei Taco John's einen Beef Burrito, und fuhr dann zur Gedenkstätte Wounded Knee, die sich als großer Parkplatz in einer Talsenke entpuppte. Hier traf ich Kathy, eine Intellektuelle ihres Volkes, die den ganzen Tag die Stellung hält, obwohl nicht viele Touristen vorbeikommen.

Man findet hier einen Friedhof für die toten Minneconjous, und kann sich ungefähr vorstellen, wie die Frauen und Kinder sich in die Büsche schlugen, als zwischen den Männern und den nervösen Soldaten ein Gefecht ausbrach, das dann dazu führte, dass die Army das ganze armselige Häuflein um den todkranken Häuptling Red Cloud massakrierte - wohlgemerkt: nach der Kapitulation der Minneconjous.

Kathy verwies mich dann noch auf ein tolles Bed & Breakfast in der Gegend, das von einer deutschen Frau geleitet wird, die hier einen Trading Post unterhält. Hier verbrachte ich die Nacht, ließ mich eine Stunde lang von dem Sturm durchrütteln, der einem Gewitter voranging, das dann doch nicht kam, und von hier aus starte ich heute die nächste Etappe. Tagesziel: Bismarck, North Dakota.

2. September 2011 Bismarck

Es gibt, neben dem schon erwähnten Buch von Heather Cox Richardson, eine zweite Inspiration für meine Fahrt, und die ist technischer Natur. Ein nicht geringer Teil meiner Route verdankt sich der Abstraktion von Google Maps, das es erlaubt, große Linien in eine leere Landschaft zu zeichnen, diese nach Belieben zu verändern, und sich dabei von seltsamen Kriterien leiten zu lassen. Im Falle von Bismarck, North Dakota, auf das ich gestern den ganzen Tag zugefahren bin, war das wirklich mehr oder weniger der Name, beziehungsweise die völlige Abwesenheit irgendeiner Vorstellung, die ich mit der Stadt verband.

Wenn man durch Amerika fährt, gerät man ja schnell in ein Dilemma. Denn das Land eignet sich nicht gut für eine klassische Bildungsreise, auf der ich meinem Erfahrungsschatz einige besondere Momente hinzufügen kann.

Hier habe ich als origineller Beobachter keinen Auftrag, dazu gleicht doch fast alles viel zu sehr dem, was ich schon irgendwie wusste, und andererseits lassen die Distanzen es kaum zu, mehr als nur Abgleichungen vorzunehmen. Im Hintergrund meines Interesses für Bismarck spielte sicher der Roman Quitt von Theodor Fontane eine Rolle, den ich vor ein paar Jahren gelesen habe, und in dem ich eine aufgeklärte Version der Geschichten deutscher Ausgewanderter erkannte, die Karl May geschrieben hat (Klekih Petra!). In Quitt spielt eine Siedlung eine Rolle, deren Name so eigentümlich ist, dass ich sie unbedingt aufgesucht hätte - wenn sie denn existierte: Doch zu Nogat-Ehre, so heißt der Mennoniten-Ort im Indianerterritorium bei Fontane, in den es einen schlesischen Wilderer verschlägt, gibt es auf Google Maps nichts.

Bismarck ist also wohl ein Ausweichziel, es vertritt für mich die fiktionale Welt in der Wirklichkeit. Worauf die Linie, die ich zwischen Pine Ridge und Bismarck in die digitale Landkarte gezeichnet hatte, mich ganz und gar nicht vorbereiten konnte, war das nun wirklich atemberaubende Erlebnis der Landschaft der beiden Dakotas. Das ist die andere Seite des Dilemmas, denn da bräuchte es irgendein sprachliches Register der Beschreibung, das einer 70mm-Kamera entspräche - einen entsprechenden Film, der die Subjektive meiner gestrigen Fahrt zeigen würde, sollte unbedingt jemand machen. Danach müssten einige Immersionstraktate neu geschrieben werden, denke ich.

Die Fahrt führte zu Beginn durch die Badlands, dann eine Weile über die I90 zurück nach Osten, bevor ich auf der Straße 63 stundenlang nach Norden fuhr. In North Eagle Butte machte ich eine Mittagspause, ein Ort, den man als "abgehängt" bezeichnen müsste, wenn man den USA denn irgendeine Richtung unterstellt. Jede Vorstellung von "Manifest Destiny" wird lächerlich, wenn man hier auch nur eine Stunde zubringt.

In McLaughlin überquerte ich eine Bahnstrecke, die dieses westliche Territorium mit den Schlachthöfen im Osten verbindet, und am Ende war ich nach so viel Landschaft fast erleichtert, endlich wieder urbane Strukturen zu sehen: Bismarck und Mandan am Missouri. Wenn man hier durch die Straßen geht, was kaum jemand tut außer einigen Kids und gelegentlich einem Punk auf einem BMX-Rad, bekommt man den Eindruck einer ganz und gar überdimensionierten Gesundheitsindustrie - ein großes Klinikum reiht sich an das nächste, von hier aus werden wohl die gesamten Plains versorgt. Von hier aus soll es heute nach Fort Lincoln gehen, und dann über eine nordwestlichere Route zurück nach South Dakota. Tagesziel: Deadwood in den Black Hills.


3. September 2011 Deadwood

Den besten Moment meiner Fahrt am Freitag hätte ich beinahe übersehen: Das Schild mit dem Hinweis auf ein Ben Ash Monument verwies auf eine kaum merkliche Erhöhung links von der Straße. Es war wieder einmal ein Klang, der mich halten ließ: Der Name Ben Ash ließe sich, mit einiger etymologischer Lizenz, als Sohn der Asche übersetzen, und die rätselhafte Ankündigung eines Monuments, von dem nichts zu sehen war, ließ mich auf die Bremse steigen. Ich fuhr ein wenig zurück und nahm dann die Abfahrt, die mich nach nur hundert Metern zu einem Gedenkstein brachte, der tatsächlich auf einen großen Moment verweist.

Von diesem, man muss es so sagen, kontinentalen Scheitelpunkt aus, der von der Straße aus leicht zu übersehen ist, erblickten Ben Ash und seine Begleiter im Jahr 1875 auf ihrem Treck von Bismarck nach Westen zum ersten Mal die Black Hills. Das Denkmal gilt also einem Blick, einer Perspektive auf dieses Land, die ich mit dem Zoom meiner Kompaktkamera nur notdürftig nachvollziehbar machen kann.



Da oben zu stehen im heißen Wind, und sich vorzustellen, wie das gewesen sein mag 1875, das war auch für mich ein großer Moment. Ein Film fiel mir auch gleich ein dazu: Meek's Cutoff von Kelly Reichardt spielt zwar viel weiter im Nordwesten, vermittelt aber ein gutes Bild von den Bedingungen der Landnahme.

Ich war am Morgen in Bismarck losgefahren, mein erstes Ziel lag unweit der Stadt am Missouri: Fort Lincoln, in dem General Custer seine Residenz hatte, bevor er 1876 am Little Big Horn sein Leben ließ. Das Haus wurde 1989 nach detaillierten Angaben des Smithsonian Institutes penibel nachgebaut, und der Mann in Kavallerie-Uniform, der mich mit vier Amerikanern durch Custers nicht nur für 1875 luxuriöses Heim führte, sprach dann auch hartnäckig von "last year", wenn er sich auf ein Ereignis aus dem Jahr 1874 bezog.

Neben dem bemerkenswerten Feldschreibtisch, nach dem ich künftig in den einschlägigen Filmen Ausschau halten werde, den ich so aber schon öfter gesehen zu haben glaube, interessierte mich vor allem die Bibliothek Custers. Im ganzen Haus standen dekorativ Bücher herum, darunter eine sehr beeindruckende Werkausgabe von Walter Scott. Dass er aber auch Hippolyte Taines Art in the Netherlands gelesen haben sollte, würde für einen General der US-Army doch ein sehr polyhistorisches Interesse erkennen lassen. Vielleicht hat Custer aber nur, wie ich auch, mehr Bücher gekauft, als er lesen konnte.

Zwei Kilometer von dieser Hochburg westlicher Prärie-Lebensart entfernt sind ein paar Erdhäuser der lokalen Mandan-Indianer zu sehen, die sehr gut den Zivilisationssprung erkennen lassen, der im Westen stattfand - bevor die Industrialisierung des Wohlstands eine Menge von der Zivilisation rückgängig machte. Die Strecke des Trecks von Ben Ash und seinen Begleitern absolvierte ich in knapp sieben Stunden mit einem Ford Focus der Leihwagenfirma Alamo, einem amerikanischen Partner des größten deutschen Autovermieters. Zu Mittag aß ich in einem tollen Roadside Joint: dem Broken Spoke in Glen Ullin.

Am Ende der Etappe war ich in Deadwood, eine Stadt, über die ich nicht viele Worte verlieren muss. Ein Touristenkaff mit Slotmachines in jeder Hotellobby, mit einer Show-Schießerei in der Hauptstraße am Abend, und mit Gedenktafeln mit historischen Fotografien an jeder Ecke. Deadwood ist nämlich ein "national monument".

Heute werde ich gemütlich durch die Black Hills fahren ("a million-acre playground filled with the history and mystery of the Old West", sagt mir die Tourismuswerbung), die Marathonetappen sind überstanden, vielleicht schaue ich sogar am Mount Rushmore vorbei. Tagesziel: Cheyenne, Wyoming.

4. September 2011 Cheyenne

Der vorletzte Tag meines kurzen Ritts durch ein paar US-Staaten brachte mich zu zwei Touristendestinationen par excellence: Zuerst besuchte ich den Crazy Horse Mountain, an dem der polnisch-amerikanische Künstler Korczak Ziolkowski eine sehr überlebensgroße Felsenstatue des Lakota-Häuptlings Crazy Horse aus dem Felsen hauen wollte. Er wurde nicht fertig, bisher sieht man nur den Kopf und ein Loch im Berg, es wird aber weiter daran gearbeitet, es heißt, dass die Fertigstellung nicht vor 2100 zu gewärtigen ist.

Es handelt sich hier um einen speziellen Fall von Überbietungsehrgeiz, denn nicht weit vom Crazy Horse Mountain liegt der Mount Rushmore, in dessen Felsen die Gesichter von vier besonders berühmten amerikanischen Präsidenten gehauen wurden. Mich interessierte vor allem, wie sich das in der Landschaft ausnimmt. Von der Seite, von der ich kam, war es denn auch fast ein wenig spannend, man fährt auf einer kurvigen Straße im Wald auf ein paar Felsen zu, auf deren Rückseite das Monument ist - man hat also einen kleinen revelatorischen Effekt, wenn man von der Seite kommt.

Die Präsidenten schauen ins offene Land der Badlands hinaus, man kann sie auch von außerhalb der bewirtschafteten Zone sehen, und das Städtchen Keystone, das sich damit brüstet, dass man von seinen in den Hang gebauten Hotels direkt auf George Washingtons steinernes Antlitz oder den ein wenig verkniffen in den Winkel gedrängten Theodore Roosevelt schauen kann, stellt sich dem erhabenen Blick der Präsidenten marktschreierisch in den Weg.

Die ganzen Black Hills erschienen mir nach den Eindrücken der letzten Tage eher wie ein Themenpark, ich war froh, als ich das Oglala Grassland erreichte, das ich in Richtung Süden nach Crawford durchquerte. Hier hatte ich einmal das Glück, einen dieser sagenhaft langen Güterzüge zu sehen, die ich aus James Bennings großartigem Film RR kenne. Allerdings sind die Orte entlang der Strecke verwaist. In Ardmore, wo ich mir ein wenig die Beine vertrat, sah ich drei Leute, einen Hund und ein Dutzend zusammengefallener Häuser.

Da die Gegend weitgehend menschenleer ist, blieb mir wenig anderes übrig, als nach Cheyenne durchzufahren. Das Teilstück der Straße 29 von Harrison nach Mitchell war vielleicht die insgesamt beste Strecke, die ich hier genommen habe: einsamer kann es auch in Nevada oder Arizona nicht sein, glaube ich. An der letzten wichtigen Abzweigung vor Cheyenne hatte ich dann den einzigen kleinen, ansatzweise kritischen Moment auf dieser Fahrt. Er war eher stimmungsmäßiger Natur, und hatte wieder mit den Tieren zu tun.

Ich war gerade im Begriff, die Stadt Torrington in Richtung Süden zu verlassen, als mich ein Schild NO SERVICES FOR 72 MILES daran erinnerte, dass ich tanken musste. Ich musste also zurück nach Torrington, das auf mich ganz und gar den Eindruck einer Geisterstadt machte, bis ich auf zwei Hispanics traf, die an der Straße Wassermelonen verkauften, mutmaßlich an Durchreisende. Sie wiesen mir den Weg zu der einzigen in Betrieb befindlichen Tankstelle, nachdem ich an vier toten vorbeigekommen war, alle von der Firma Sinclair, die es wohl nicht mehr gibt (weil es in diesen Teilen von Amerika so viel Platz gibt, bleibt fast alles, was nicht mehr gebraucht wird, einfach stehen und rostet vor sich hin).

Die Tankstelle war unbemannt, und befand sich direkt neben dem Bahnhof, an dem auch niemand war - außer einer Vielzahl von Rindern, die in Verschlägen auf einen Abtransport warteten und mit ihrem Geheul und Gestank die ganze Stadt beherrschten. Ich war einen Moment lang sehr allein mit diesen Eindrücken, den Benzinstutzen in der Hand, den "livestock" im Ohr und in der Nase. Dann kam die Kreditkarte aus der Maschine, und ich ließ diese gottverlassene Stadt hinter mir.

In Cheyenne habe ich heute morgen im "The Plains" ein Frühstück mit gefühlten 4000 Kalorien zu mir genommen (was ein Cowboy eben so braucht für den Tag), zu Mittag mache ich mich auf den relativ kurzen Weg nach Denver, wo ich das Auto abgeben und von wo ich nach San Francisco fliegen werde.

Das Fotoalbum zum Western Road Trip ist hier

Ursprünglich erschienen auf www.cargo-film.de

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