Stadtwanderung: Richmond

Auf den Spuren der Familie Cresspahl in London

Die kleine Ortsbesichtigung, von der ich hier berichten will, wurde inspiriert durch die Lektüre von Uwe Johnsons Jahrestage. 1965 fahren Gesine Cresspahl, ihre Tochter Marie und der in beider Leben bedeutsame D.E. (Dietrich Erichson) nach London. Sie wollen herausfinden, wo Heinrich Cresspahl, der Vater von Gesine, in den dreißiger Jahren gewohnt und gearbeitet hat.

Im August 2014 war ich selbst in London unterwegs und habe dabei einen Abstecher nach Richmond gemacht - zu Fuß und auf einem Umweg, der mich ausführlich mit der westlichen Peripherie der Stadt vertraut gemacht hat. Meine Route war rund 15 Kilometer lang und führte von der U-Bahn-Station Hatton Cross bis nach Kew Gardens, von wo man mit der District Line wieder rasch in South Kensington und Knightsbridge ist. Unterwegs durchquerte ich Richmond upon Thames.

"Hätten sie hier gelebt, sie wären im Leben länger zusammen gewesen", heißt es bei Johnson über Heinrich Cresspahl und seine Frau Lisbeth, geborene Papenbrock. Ihretwegen kehrt er, der seit 1925 in England gelebt hat, ausgerechnet dann nach Deutschland zurück, als die Nationalsozialisten an die Macht kommen.

Die Ortsbesichtigung in Richmond ist schon im Roman nicht besonders erfolgreich. Ich hatte meinerseits nicht die Absicht, da detektivisch etwas herauszufinden, was die Literaturwissenschaft durchaus beschäftigt (im Johnson-Jahrbuch 2001 fand ich einen guten Text von Irmgard Müller, den ich als Reiseführer verwendet habe). Mir ging es einfach darum, einmal auf dieser kleinen Brücke zu stehen, die bei Johnson erwähnt wird, und meinen Blick schweifen zu lassen. Es ging ein ziemlicher Wind.

Von dem Bahnhof North Sheen, an den die Manor Road und Manor Grove angrenzen, war es dann nicht mehr weit bis zur U-Bahn-Station Kew Gardens. Hier noch ein paar Impressionen von Richmond, die Themse überquerte ich auf der Twickenham Road.

"Ich fand Richmond nicht aufregend: sagt Marie", so heißt es am Ende des Eintrags zum 21. November 1967 in Jahrestage, der die Rückblende auf die Reise nach London enthält. Aufregend fand ich Richmond jetzt auch nicht, aber was für Gesine Cresspahl und ihre Tochter gilt, gilt jetzt auch für mich, ihren Leser: "Wir haben es gesehen."

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