Meinungshochmut
Lektüre: "Krumme Gestalten, vom Wind gebissen. Essays aus drei Jahrzehnten" von Monika Maron
Über Monika Maron habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder einmal etwas geschrieben. Ihren Roman Munin oder Chaos im Kopf (2018) würde ich vor allem als Symptom einer deutlich sexualisierten Angstlust vor Zuwanderung von fremden (schwarzen) Männern lesen, und eher weniger als deren gelungene literarische Verarbeitung. Artur Lanz problematisiert die postheroische Gesellschaft und Marons Geschlechtertraditionalismus, und lässt zwei Männer hochleben, die in der Verwendung des Begriffs „grünes Reich“ ihr Heldentum erweisen, ironisch natürlich, aber die Ironie ist dünn. Zuletzt gab es viel Aufmerksamkeit für den Verlagswechsel von Maron.
In diesen Zusammenhang gehört der Essayband Krumme Gestalten, vom Wind gebissen, erschienen in der Edition Buchhaus Loschwitz der Buchhändlerin Susanne Dagen, in einer Reihe mit dem anmaßenden Titel Exil. Der älteste Text stammt aus dem Jahr 1989, der jüngste aus 2019. Es finden sich Notizen zu einer Reise nach New York, Betrachtungen über die norddeutsche Landschaft („Gegenden wie die unsere bieten dem Zeitgeist wenig Haftung“), ein sehr wertvoller Hinweis auf die Schriftstellerin Ida Fink, die ich nicht kannte, und Überlegungen über das Altern.
Für die Zwecke der Reihe Exil und auch für mein Interesse an Monika Maron als einer literarischen Intellektuellen aus der ehemaligen DDR sind aber vor allem die abschließenden drei Essays von Belang, denn da spricht sie von ihren Sorgen über einen Islam, er seine „eigene Andersartigkeit ... zementiert“, und ihrem Ärger über „dieses literaturuntaugliche Binnen-i“ und den „Genderkauderwelsch“.
Ihr Unbehagen über den Islam thematisiert sie in einer Rede anlässlich der Verleihung des Lessing-Preises. Sie nimmt die Freundschaft zwischen Lessing und dem Juden Moses Mendelssohn zum Anlass, den Islam als „unaufgeklärte Religion“ zu bestimmen, der in dieser Eigenschaft auch noch von den „deutschen und europäischen Propagandisten der Toleranz gegenüber der Intoleranz und der Gleichwertigkeit aller Kulturen“ unterstützt wird. Sie fragt: „Verlangen wir zu viel, wenn wir von einer unaufgeklärten Religion, die in unsere Gesellschaft einzieht, erwarten, dass sie alle Gesetze, aber auch alle Werte achtet, die dieser Gesellschaft als schützenswert gelten?“
Dass der Islam als unaufgeklärte Religion in die deutsche Gesellschaft „einzieht“, hatte damals noch nichts mit den Ereignissen von 2015 zu tun, die Maron zu der Frage bringen, „warum hunderttausende Einwanderer ins Land gelassen werden, von denen man weiß, daß sie nicht bleiben dürften, man sie aber auch nicht wieder außer Landes bringen kann“? Diesen Hundertausenden stehen (im selben Satz) Hunderttausende Windräder gegenüber, die „den Energiebedarf nicht werden sichern können“. Maron selbst fasst schließlich zusammen: „Schon die Frage, ob der Klimawandel wirklich nur menschengemacht ist oder wieviel Einwanderung eine Gesellschaft verträgt, ohne schwerwiegenden Schaden zu nehmen, oder ob dieses Genderkauderwelsch wirklich den Frauen nützt, kann ausreichen, um rechter Gesinnungsart verdächtigt zu werden.“
Diese Frage kann ausreichen, sollte es aber nicht. Denn selbstverständlich sind alle diese drei Aspekte Gegenstand offener Debatten:
* Das Klima verändert sich, die Wissenschaft erforscht, welchen Anteil die Industriegesellschaften daran haben (nach allem, was plausibel ist: einen sehr bedeutenden), ob die Veränderungen „nur menschengemacht“ sind, ist angesichts der praktischen Herausforderung momentan vielleicht gar nicht so wichtig.
* Wieviel Einwanderung eine Gesellschaft verträgt, muss natürlich diskutiert werden, meiner Ansicht nach allerdings auch unter Berücksichtigung globaler Gerechtigkeitsaspekte, konkreter Notlagen wie 2015 in Syrien und Südosteuropa und historischer Verläufe (der Islam kam nach Deutschland mit Gastarbeitern aus der Türkei, die hier den Reichtum sichern sollten; von „Unaufgeklärtheit“ so pauschal zu sprechen, ohne von Kolonialgeschichte auch nur eine Andeutung zu machen, ist dann eben selbst nur so aufgeklärt, wie es in das eigene Vorurteil passt).
* Wem die Bemühungen um eine „gerechte Sprache“ wie nützen, und wie literaturfähig diese Sprache dabei bleibt, erweist sich im täglichen Versuch und ist sicher eine größere Herausforderung, als sich mit einem Sternchen lösen lässt, aber soll man die Sprache deswegen auf dem Stand von Thomas Mann oder halt Monika Maron einmotten?
Rechts an Marons Positionen ist letztlich vor allem die Geste des Selbstausschlusses, die dann eben auch dazu führt, dass sie mit ihrem Buch gleichsam ins Exil ging: Sie klammert die gesamte Mitte einer mehr oder weniger gelingenden Diskussion über alle diese Fragen aus, und setzt bestimmte linke, progressive, exponierte Positionen, die sie noch dazu niemals ausdrücklich macht, an deren Stelle. So entsteht dann eine „links-grüne Seite, verstärkt durch eine gewandelte CDU“, und Maron behauptet, diese Seite hätte „den Kampf um die Deutungshoheit gewonnen“, während achtzig Prozent der Bevölkerung „ihre Meinung zu bestimmten politischen Themen nicht mehr äußert“. Oder wenn, dann nur in einer Reihe, die sich Exil nennt.
In dem neuesten Text bringt Maron ihre Sicht auf die Gesellschaft zu einem konsequenten Ende, indem sie „unser galliges Gelächter“, mit dem Menschen in der DDR sich gegen „ein unentrinnbares und demütigendes Gefühl der Ohnmacht“ wehrten, auf die derzeitige BRD überträgt: Es liegt ihr fern, diesen Vergleich DDR/BRD direkt anzustellen, „und trotzdem habe ich dieses Gefühl“. Sie deutet also an, dass das gegenwärtige politische System der europäisch integrierten Bundesrepublik dieselbe Ablehnung verdient wie damals die DDR. Das ist, wenn auch zurückhaltend formuliert, eine radikale Position, und auch eine fundamentalistische.
Kommentare
Einen Kommentar schreiben