Erste Sätze

Lektüren. Anfänge

Robert Wehofer, fünfunddreißig, mittelgroß, dicklich, zur Kahlköpfigkeit neigend, wußte noch nichts von der unscheinbaren grauen Karte.

Stahlblau und leicht, bewegt von einem leisen, kaum merklichen Gegenwind, waren die Wellen des adriatischen Meeres dem kaiserlichen Geschwader entgegengeströmt, als dieses, die mählich anrückenden Flachhügel der kalabrischen Küste zur Linken, dem Hafen Brundisium zusteuerte, und jetzt, da die sonnige, dennoch so todesahnende Einsamkeit der See sich ins friedvoll Freudige menschlicher Tätigkeit wandelte, da die Fluten, sanft überglänzt von der Nähe menschlichen Seins und Hausens, sich mit vielerlei Schiffen bevölkerten, mit solchen, die gleicherweise dem Hafen zustrebten, mit solchen, die aus ihm ausgelaufen waren, jetzt, da die braunsegeligen Fischerboote bereits überall die kleinen Schutzmolen all der vielen Dörfer und Ansiedlungen längs der weißbespülten Ufer verließen, um zum abendlichen Fang auszuziehen, da war das Wasser beinahe spiegelglatt geworden; perlmuttern war darüber die Muschel des Himmels geöffnet, es wurde Abend, und man roch das Holzfeuer der Herdstätten, so oft die Töne des Lebens, ein Hämmern oder ein Ruf von dort hergeweht und herangetragen wurden.

Verehrter Freund und Gönner! Sie wissen ja – Sie wissen genug darüber, wer «Wir» sind – womit wir uns unterhalten, und mit welchem Inhalt wir die uns  zugemessenen Erdentage zu erfüllen suchen.

Ich bin aus der kinderleeren Klasse gegangen, nachdem ich auf dem Schreibtisch eine Ordnung (bestimmt nicht meine) hergestellt habe.

«Du hast mich benutzt, du hast mich missbraucht, du hast meine Hilflosigkeit gerochen wie ein Bluthund eine Wunde, du hast mich zerfleischt, das hast du schon immer getan, Hilfebedürftige zerfleischen, zerreißen, weil du sie verachtest, weil du sie hasst – weil sie Hilfe brauchen, willst du sie kaputt machen, weil sie dich an deine eigene Hilflosigkeit erinnern, deine Schuld, weil du es nicht ertragen kannst, dass du nichts bist, genausowenig wie alle, dass dein Leben bedeutungslos ist, schon allein darum musst du dich für andere verantwortlich fühlen, um dir selbst zu entkommen, und darum hasst du sie auch, weil dir das niemals gelingt, weil es stimmt, was sie sagen, dass es nichts zu retten gibt, und darum hasst du auch mich, vom ersten Moment an, als du mich gesehen, meine Stimme gehört hast, weil dir klar war, dass ich nicht zu retten bin, nicht so jedenfalls, wie du mich retten wolltest, und ich wusste es, intuitiv, aber ich hatte Hoffnung, wider besseres Wissen habe ich gehofft, du wärst anders, anders als all die anderen Helfer, die Aasgeier, Hyänen, die schon seit meiner Kindheit um mich herum lauern, die ich verjagt hatte, weil ich dich liebte, mehr, als du jemals erkannt hast, darum hatte ich Hoffnung, darum habe ich dich damals gefragt: "Bist du schon man vom Tod verführt worden, Doktor?"

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 3 plus 1.