Wiener Lieder
Eine Sammlung von Dialekt- und Wiener Liedern
In diesen Tagen erscheint ein Buch von mir, in dem ich mich mit der österreichischen Fernsehserie Ein echter Wiener geht nicht unter (1975 - 1979) beschäftige – ein zentrales Dokument des nationalen Kulturguts in meinem seltsamen kleinen Heimatland. Ein Kapitel beschäftigt sich aus naheliegenden Gründen mit dem Dialekt, mit dem Wienerischen, einer unerschöpflichen Quelle der Weisheit, der Mieselsucht, des Witzes und der Destruktivität.
Aus gegebenem Anlass habe ich hier eine kleine Sammlung von Liedern vorgenommen, die ich in diesem Zusammenhang für essentiell halte.
Armin Berg
Auf Armin Berg bin ich durch den Wienfilm 1896-1976 von Ernst Schmidt jr. gestoßen, in dem dessen Lieder leitmotivisch verwendet werden. Das hier ausgewählte handelt von der Beziehung des Wieners zum Glück, und bringt eine verdichtete Psychologie der Wiener Seele. Mir gefällt besonders die Mischung aus versuchtem Hochdeutsch, dazwischen typische Wiener Wörter, und eine Prise Jiddisch im Twang.
Worried Men Skiffle Group: Der Mensch is a Sau
Skiffle ist eine schwierig zu definierende Musik, jedenfalls für jemand wie mich, ich bin ja kein Musikologe. Für mich selbst übersetze ich das Wort manchmal mit Scheunenmusik, also eine Musik, die beim Bauern quasi von selbst entsteht, getrommelt auf Kübeln, gespielt auf dem Waschbrett, gesungen mit dem Most im Kopf. Die Worried Men Skiffle Group habe ich als kleiner Bub vor dem Radio nicht im geringsten als das Konzeptprojekt durchschaut, das sie natürlich war. Die frühen Songs, von denen ich hier einen ausgewählt habe, standen später im Schatten ihres Hits: Wann'st a Weh brauchst, ruafst mi an. Der Mensch is a Sau gefällt mir aber besonders wegen der Lakonik, die der Titel schon deutlich macht. Der Mensch ist ja tatsächlich ein Schwein, aber was kann das Schwein dafür, dass es für diesen Vergleich herhalten muss?
Marianne Mendt
Wer zwei Stunden Zeit hat und sich wirklich gründlich und unterhaltsam mit dem Dialekt in Österreich beschäftigen will, dem*der empfehle ich einen Club 2 aus dem Jahr 1978. Marianne Mendt war auch eingeladen, sie kam zu spät und setzte sich dann auch noch dazu. Ihr früher Hit ist zugleich sehr modern, amerikanisch, und sprachlich eindeutig wienerisch.
Kurt Sowinetz
Von Tex Avery gibt es einen Cartoon, den ich sehr mag: The Cat That Hated People. Die österreichische Variante eines Menschenfeinds verkörpert Kurt Sowinetz in dieser großartigen Neudichtung der Ode an die Freude – eine Ode an die Unfreude. "Zwider", also "zuwider", ist Ausgangspunkt für ein sehr starkes Dialektwort: eine "Zwiderwurzen" ist eine Person, der gar nichts passt, die an allem und und allen etwas auszusetzen hat, die also kategorisch schlecht aufgelegt ist. Mit großem Pathos schüttet Sowinetz hier großartige Wiener Wörter über das Menschengeschlecht aus. Als Dialektorgan kennt man Sowinetz in Österreich auch von einer Schallplatteneinspielung von Wolfgang Teuschls Verwienerung der christlichen Evangelien: Da Jesus und seine Hawara.
Ruaf mi ned an
Liebeskummer lohnt sich nicht, heißt es. In diesem Fall aber doch: Georg Danzer und der sehr junge Wolfgang Ambros sagen es einer Verflossenen so richtig "hinein". Unschlagbar natürlich der Reim "Porsche / in Oasch geh(en)".
Zwickts mi 75
Vor vielen Jahren bestand einmal kurz ein kleiner Schimmer Hoffnung, aus dem österreichischen Fußballer Marco Djuricin könnte ein Torjäger von Rang werden. Daraus wurde nichts, einmal aber erzielte er im Olympiastadion vor 48000 Zuschauern ein großartiges Tor, da war er gerade 17 Jahre alt. Nach dem Spiel war im Oval diese Nummer zu hören: Zwickt's mi - ein unverwüstlicher Hadern für alle Momente, in denen man sich die Augen reiben möchte, weil etwas ganz unglaublich ist.
Hirsch Liebeslied 1978
Ludwig Hirsch war zu seiner Zeit sehr beliebt, war aber auch immer etwas ein wenig mehr für die Intellektuellen. Auch sein Liebeslied ist fast eine Spur zu raffiniert für ein Wiener Dialektlied, das hört man auch die geschriebene Poesie und die reflektierte Ironie durch. Ist aber schon auch sehr lässig in seiner Verliererschnoddrigkeit.
Krüppel 79
Sicher der anstößigste Titel in dieser Sammlung, ein grausames, schwarzes Lied, das die tiefsten Abgründe der Wiener Seele ("des gold'ne Wiener Herz") erforscht. Qualtinger und Heller, ein seltsames Duo, aber sie passen großartig zusammen. Wir haben uns als Jugendliche merkwürdig delektiert an diesem Lied, und verstanden nur sehr vage, was da alles passiert, was eigentlich wirklich überhaupt nicht geht.
Original Clarks
Für mich vielleicht das beste Lied von Wolfgang Ambros: elegant, elegisch, romantisch, auch ein Verweis auf die politische Zeitgeschichte ("im 68er Jahr"), ein Liebeslied, und ein Motiv, das auch einem später Geborenen noch vertraut war, denn die besagten Schuhe hielt auch ich für eine Weile für obligat.
Cornelius 1981
Auch in meinem Leben gab es ein Mädchen, eine "Klane, die i schon als Bua gern ghabt hab". Genau genommen seit dem ersten Tag in der ersten Klasse Volksschule. Die Schwärmerei begleitete mich durch die Kindheit, und brachte mich sogar dazu, verspätet ins Gymnasium zu wechseln – ich wollte in ihrer Nähe bleiben. In der Zeit, in der Peter Cornelius mit seinem Hit herauskam, begann ich langsam einzusehen, dass ich mich neu orientieren musste. Zu einer zweiten Chance, wie sie Cornelius besingt, kam es nie. Philologisch ist von dem Lied das Wort "Narrenkastel" hervorzuheben – ins Narrenkastel schaut man, wenn man geistesabwesend ist, zum Beispiel, weil man gerade an einen Schwarm aus der Kindheit denkt.
Zum Abschluss das Wiener Lied, das in der Serie immer wieder eine Rolle spielt: Du narrischer Kastanienbaum ist das Familienlied, es wird immer wieder gemeinsam gesungen. Ein "geschriebenes", also kein kollektives, anonymes Lied, es erzählt von einem Baum im Stadtpark, der nicht im Frühling blüht, wie es die Natur vorsieht, sondern im August. Man kann das gut auf das Lebensalter eines Mannes beziehen, und wird auch passenderweise zu Mundls 50er in der abschließenden Folge gesungen.
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