Einserpost

Die Bibel in gfeanzter Sprache: "Da Jesus und seine Hawara" von Wolfgang Teuschl

Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen dem Christentum und dem Islam liegt in der Frage der Übersetzbarkeit. Der Koran gilt so richtig nur auf Arabisch. Die christlichen Evangelien sind hingegen schon in der Urfassung im Grunde Übersetzungen, denn Jesus sprach Aramäisch, seine Biographen schrieben Griechisch. Und im Zuge der Verschriftlichung der Erinnerung an Jesus wurde auch die Botschaft übersetzt: ein jüdischer Prophet wurde zu einem Heilsbringer, über den bald vor allem in Begriffen der griechischen Ontologie gesprochen wurde.

Und so ging es dann weiter, ins lateinische Mittelalter und bald in alle Weltsprachen. Im Jahr 1971 kam dann noch eine wichtige hinzu: Wolfgang Teuschl übersetzte die Evangelien ins Wienerische. Im Untertitel von Da Jesus und seine Hawara ist von Dialekt die Rede, ich halte das für eine zutreffende Untertreibung, denn für meine Begriffe kann man das Deutsche ohne Weiteres als eine Sprache zwischen der Lutherbibel und der Teuschlbibel aufspannen.

In unserer Familie in Oberösterreich in den siebziger Jahren gab es eine Schallplatte, für die Kurt Sowinetz die wichtigsten Passagen von Teuschls Buch eingelesen hatte. Den eigentlichen Text habe ich mir erst kürzlich gekauft. Bisher kannte ich das Wiener Evangelium nur als Stimme, nun ist mir auch die andere Ebene zugänglich, die nicht minder wichtig ist: die Transkription des Wiener Idioms. Hier zuerst die Stimme:

Hier ein paar besonders relevante Beispiele für die Verschriftlichung (Umschrift?): Der Heilige Geist (von dem nach kirchlicher Lehre die Evangelien inspiriert wurden) heißt bei Teuschl der Häuliche Geisd, die Weisen aus dem Morgenland sind a boa Gschudiade aus Tschuuschien. Von den heiligen drei Königen, wie man sie auch nennt, heißt es, dass sie sich beim Anblick des Sterns freuten wie dreißig unbekleidete dunkelhäutige Menschen - bei Teuschl: Wia s den Schdean daschpeanzld haum, haum sa si gfreid wia dreissk nokade Näga. Man könnte hier fragen, ob ein Dialekt und zumal der Wienerische jemals politisch korrekt werden, und dabei Dialekt, als Unterwanderung von Hochsprache, bleiben kann.

Alles das, was Teuschl erzählt, steht auch in da Biwe (in der Bibel): und selbst die Gattungsbezeichung Evangelium (Frohbotschaft) wird viennensiert: Aansabosd (Einserpost). Auch diese Ostern habe ich wieder mit den zwei naheliegenden Ersatzhandlungen für einen ausgetretenen österreichischen Katholiken begangen: einmal die Matthäuspassion hören, und einmal den Sowinetz von Jesus dazöön lassen.

Inzwischen gibt es eine neuere Einspielung mit Willi Resetarits. Und der Residenz Verlag hält dankenswerter Weise das Buch von Wolfgang Teuschl lieferbar. Wie auch dessen Wiener Dialekt Lexikon.

Das Wort Ostern heißt auf Wienerisch übrigens Osdan, und wer mag, kann einen kleinen sprachlichen Spezialeffekt darin erkennen, dass das erste Wort der Aansaposd ganz ähnlich lautet: Oesdan, ge ma s au.

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