Generation Weihrauch
Ein Lieblingsfilm: "Die Ministranten" (1990) von Wolfram Paulus
Das Osterfest ist der Höhepunkt im Kirchenjahr. Wo an einem normalen Sonntag zwei, höchstens vier Ministranten am Altar dabei sein dürfen, kommt zu Ostern die ganze Schar zum Einsatz. Der Pfarrer und der Prokurator beginnen schon Wochen vorher mit den Proben, aber auch die Buben von Tamsweg planen etwas auf eigene Faust: Am Ostersonntag um drei Uhr nachmittags soll es zum grossen Kampf mit einer konkurrierenden Bande kommen. Es geht um nicht weniger als die Vorherrschaft im Lungau. Unter den Zehnjährigen.
Wolfram Paulus zeigt in Die Ministranten die Kindheit als großes Abenteuer, in das sich langsam der Ernst schleicht. Pauli heißt der Junge, der alles plant. In der Hierarchie der Ministranten fühlt er sich zurückgesetzt, weil er nicht zum „Weihrauchfassler“ gewählt wird. Die Abstimmung ist geheim, aber nicht fair, weil den Ministranten mit Ausschluss aus dem Fußballverein gedroht wurde, wenn nicht der Obermoser Ferdinand gewinnt. Pauli findet einen neuen Freund, den Brandstetter Pepi, Sohn der Familie vom Sägewerk. Gemeinsam setzen sie ins Werk, was als die einzige Möglichkeit erscheint, den großen Vorbildern aus den Büchern von Karl May („unser Lexikon“) gerecht zu werden: Die „Wölfe“ werden gegründet, Mitgliedsbeitrag: ein Schilling in der Woche.
Die Grundausbildung findet zwischen den Bretterstößen im Sägewerk statt. Damit alles auch echt ist, verkauft Pauli seine Briefmarkensammlung weit unter Wert, und erwirbt Mokassins für die Buben, die an schwere Schnürschuhe gewöhnt sind. Die um ein, zwei Jahre ältere Maria stellt die „Wölfe“ vor ein großes Problem: sie will nicht nur Bandenmitglied werden, sondern auch ministrieren. Sie will in die Welt der „Buama“ aufgenommen werden. Zum Beweis ihrer Eignung besiegt sie den Pauli beim Armdrücken.
Wolfram Paulus beobachtet in Die Ministranten die Jungen wie ein Volk, dessen Sitten erst noch erforscht werden müssen. Was sich Karl May über die Indianer so ausgemalt hat, wird ins Salzburger Land übertragen und den lokalen Gegebenheiten angepasst. Der Henrystutzen schießt nicht mit Kugeln, sondern mit Pfeilen. Am Ende müssen aber sowieso die Fäuste sprechen.
Die Ministranten in diesem Film sind durchweg Buben aus der Gegend. Sie sprechen den Dialekt des Lungau, sie tragen das örtliche Gewand, sie lernen zum Ministrieren noch lateinische Texte (die Liturgiereform wird in Rom gerade erst beschlossen). Man darf autobiographisches Wissen vermuten hinter diesem Film, der in den sechziger Jahren spielt, als auch Wolfram Paulus ein Junge im Salzburger Land war. Die Ministranten ist dabei in keiner Sekunde sentimental, sondern zeigt die harte Arbeit einer Kindheit in nahezu völliger Freiheit. Die Melodie der Sprache, die Musik von Bert Breit (Maultrommeln!), die großartigen Darsteller, die Landschaft und die präzise Rekonstruktion eines Moments in der Nachkriegsgeschichte, in dem das Landleben nicht mehr nur Fron war, machen Die Ministranten zu einem zentralen österreichischen Film.
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