Filme und Folgen (2)

Notizen: April 2018

Dark 10

Der ganze Schmafu mit den Zeitsprüngen durch ein Loch in einem deutschen Wald gipfelt in einem denkwürdigen Satz: „Ihr Mann, der nebenbei meine Mutter fickt, sucht seinen Sohn, der mein Vater ist.“ Da wird es fast noch einmal interessant für einen Moment, aber die Serie hört bis zum letzten Moment nicht auf damit, alles doppelt und dreifach (dreiunddreißigeindrittelfach) zu moppeln. Alpha und Omega heißt die Folge, irgendwie steckt der Urknall (die Serie hat wirklich einen Knall) im Atom, von Twin Peaks bis Game of Thrones (die Zeitschraubenmaschine) wird gnadenlos rezykliert. Ich steige mit einer Audiodeskription aus: bedrückender polyphoner Gesang.

Bad Banks 1.3

Allmählich bekommen die Figuren ein bisschen Konturen. Adam verträgt kein Chili und hatte früher harten Sex, seither ist er erpressbar. Thao (tolle Garderobe, nichts drunter) möchte mit ihrem Studenten in den Heizungskeller, der hat aber zu tun. (Die sinodeutsche erste weibliche Nebenfigur muss eine Menge von dem ausleben, was ein braves Drehbuch einer Jana nicht zumuten darf, aber die kokst in dieser Folge auch einmal in einem Schwulenlokal.) Auf einen Panikanfall von Jana gibt Fenger die dämlichste aller Antworten: It’s just a game. Das Bild von Adam, der sich in letzter Not an einer Apotheke am Hauptbahnhof, also im Bahnhofsviertel, einen (antiallergenen) Schuss setzt, hat was. Das Handyfoto von einem Firmenschild in Bahrain hingegen ist lächerlich - Silver Mountain ist nur eine Fiktion, wer hätte das gedacht!

Better Call Saul 3.10

Chuck und Jimmy als Kinder im Zelt vor dem Haus, schon damals hat Chuck dieses sonore Organ, während James McGill mit immer brüchiger Stimme für ein Leben zwischen Scham und Schande bestimmt ist. Nicht einmal seinen größten juristischen Triumph, die Entschädigung aus einem Class Action Act gegen eine dubiose Seniorenresidenzenfirma, kann er so richtig auskosten – er hat ihn sich durch die Manipulation alter Damen verhunzt, und beim (auch manipulierten) Bingo nimmt er eine Schuld auf sich, die in nichts Anderem besteht als darin, dass er sich dauernd etwas einbrockt. Wuchtig in jeder Hinsicht der Rückfall von Chuck, ein Straf- und Brandgericht, auch das eher eine interne Rückkopplung – er flog „too close to the Stromzähler on wings of hybris“.

Mindhunter 1

Was bewegt einen Menschen, der einem anderen einen Besenstiel in den Anus rammt? So jemand ist doch klar „böse“, oder nicht? Nicht für Holden Ford, einen jungen Agenten des FBI, dessen Fach eigentlich Geiselnahmen sind, der aber über sein Fach hinausdenkt. Weit hinausdenkt. „What’s the thinking now?“ Er meint „current academic thinking“, wozu anno späte 1970er Jahre auch Durkheim noch zählt, wenn man auf einem Konzert eine Soziologin kennenlernt, mit der man dann im Kino Dog Day Afternoon anschauen kann (Bankraub und Geschlechtsumwandlung, beides „böse“, oder?). Der Einstieg in diese Serie über die Modernisierung des Bureau ist fast schon ein bisschen zu clever,

Bad Banks 1.4

„Die Belege sind krass. Das schadet uns allen.“ Der populistische Impuls der Serie passt vorzüglich zu der Bewunderung, die sie allem Kalten, Manipulativen, Verspiegelten entgegenbringt. Jana wäre interessanter, hätte sie tatsächlich einen Konflikt, und nicht bloß einen Erzählauftrag, die Jugend von heute in dieser Spielwelt zu vertreten. Mit Peter Richard von der Bankenaufsicht kommt eine potentiell interessante Figur hinzu: ein Mann mit Behinderung(en), dem man nun in seine Logiken folgen könnte (man bekommt aber nur seine Essmacken).

Bad Banks 1.5

Endlich werden die Figuren ein wenig interessant. Jana hat zwei große dramatische Nummern, einmal, als sie unbemerkt daheim auftaucht (Noah ist mit seiner Ex im Bad), der Heulkrampf erfasst sie vor einem Spiegel, später, als Sydow bei ihr eindringt – die Hochdächer und Tiefgaragen dienen konspirativen Treffen, aber wenn es wichtig wird, dann trifft man sich daheim, und nicht immer auf Einladung.

Bad Banks 1.6

Die Serie nimmt eine Verhältnisbestimmung vor, die ihr nicht gut tut: 5 x Lehmann soll das gewesen sein, was dann mit einer mickrigen Straßenszene kurz so etwas wie einen Bank Run und revolutionäre Stimmung andeutet. Folge 6 macht den Unterschied zwischen einer Erzählserie und einem sechsteiligen Anriss deutlich: hier muss alles hektisch zu einem Ende gebracht werden, das zugleich offen auf eine weitere Staffel ist. Eine Dreierbande formiert sich als potentielle Guerilla (Karriere als Vendetta) im Herzen der Hochfinanz. Das Zielpublikum muss abgeholt werden, und zwar am besten direkt aus dem Beratergespräch mit der Hausbank, die vor ihren eigenen Verstrickungen in „Leipzig 2025“ (so die Chiffre für alle „developments“ zwischen Frankfurtmain und Bahrain by Zahnreihe über die Caymaninseln of Man) nichts wissen will. Peter Richard von der Bankenaufsicht bekommt doch noch sein Escortmädchen, da meint es ein Headautor gut mit einer unterschriebenen Figur. In Staffel 2 wäre es besser, mit Thao weiterzumachen, auch wenn deren chinesische Dracheneltern auch arg schematisch sind. Peer Steinbrück würde über das alles müde grinsen. Im Grunde ist Bad Banks nichts weiter als ein beutliches öffentlich-rechtliches Ablenkungsmanöver.

Letzte Worte (Werner Herzog 1968)

Ein Kurzfilm, der zu Herzogs Spielfilmdebüt Lebenszeichen gehört. Motto (Insert): „Sie sagen ich soll nein sagen, aber ich sage nicht einmal das. Das ist mein letztes Wort.“ Schwarzweiß. Von der (nun endgültig) unbewohnten Insel und früheren Lepra-Kolonie Spinalonga vor Kreta wurde ein Mann „geholt“ bzw. „gerettet“, der dort als letzter Mensch gelebt hat. Es heißt von ihm, dass er nach dem Abzug der Türken übrigblieb, dass er Eidechsen gegessen hat, dass er der beste Spieler der Lyra in ganz Kreta ist – er lässt sich aber nicht sehen. Es gibt nur Leute, die von ihm sprechen, darunter auch zwei komische Polizisten, und einen, der sagt: „Ich sage nichts.“

Glaube und Währung (Werner Herzog 1980)

Ein Dokumentarfilm für den Südfunk über den amerikanischen Fernsehprediger Gene Scott, tätig in Kalifornien und Connecticut, täglich bis zu zehn Stunden vor der Kamera, und ein Teil dieser Sendezeit ist nackte Erpressung: wenn nicht sofort 600 Dollar hereinkommen, bleibt Scott im Schmollwinkel, oder er erregt sich zu einer bemerkenswerten Tirade über „spiritual warfare“. Herzog bleibt vollkommen sachlich (dabei hat er es mit einem „mess“ zu tun, einem „Sauhaufen“). Religion spielt so gut wie keine Rolle, es dreht sich alles um Geld. Sex ist der blinde Fleck, der an einer Stelle etwas rätselhaft durch eine junge Frau angedeutet wird, die auf einer Couch abhängt. Großartig nicht zuletzt die Musiker, die mehrstimmig die Botschaften verkünden: „I wanna get to heaven“, dafür muss auf Erden gespendet werden. „Sind Sie einsam, Herr Scott?“ Gegen die Einsamkeit hat Scott sich gern mit Pony Girls umgeben, eines davon, eine ehemalige Pornodarstellerin, wurde seine dritte Frau und Nachfolgerin. Das bleibt bei Herzog ausgespart, der sich ganz auf den Apostel, seine Raffsendungen und seine großartigen Legitimationserzählungen konzentriert: „Ich habe gar nichts, ich bin nur ein angestellter Pastor.“

Huie's Sermon (Werner Herzog 1981)

Ein Paster in Brooklyn hält eine Predigt, bei der es ihm besonders darauf ankommt, dass Gott „in control“ ist, während der Pastor selbst sich so in Stimmung redet, dass er beinahe die Kontrolle über seinen Vortrag verlieren könnte, wäre es nicht doch alles vielleicht nur Show. Kann man Glossolalie herbeischwitzen?

Mindhunter 1.2

„How can I help?“ Der Coed Killer Ed Kemper betritt mit dem besten aller denkbaren Einstiegssätze die Szene, „a killer who can’t stop talking“, und der das Wort Oeuvre verwendet, das Holden Ford sofort notiert. „He’s Stanley Kubrick?“, fragt sein autorenpolitisch aufgelegter Kollege später. Er ist ein „sequence killer“, wie der Hilfsbegriff nun eine Weile lauten wird, der natürlich vor allem deswegen Spaß macht, weil wir den Nachfolgebegriff schon kennen. Fast alle von den historiographierenden amerikanischen Serien lassen uns Lernerfolge genießen (über das Rauchen und Saufen in Mad Men sind wir drüber weg, wie auch über die Naivität, mit der Holden sich anhört, dass Ed Kemper als Behandlung für einen wie ihn selbst eine Lobotomie vorschlägt, „wie bei Frances Farmer. She was a lot like me“). Wie kommt man in eine Position „ahead of crazy“? Am einfachsten mit den Talking Heads: Psycho Killer, qu’est que c’est?

Mindhunter 1.3

„A book?“ Wie zwei Jungmaster vor der DFG sitzen Holden und Bill vor einer Professorin, die ihnen die (potentielle) Wissenschaftlichkeit ihres Tuns aufschließt. Ed Kemper liest sich selbst in Bezug auf seine Mutter behavioristisch: „she knew all the buttons because she put them there“. Holden ist ein idealer Schwiegersohn, weil er ein guter Sohn ist. An seiner Ausdauer bei der Bedienung der intimen „buttons“ seiner Freundin Debbie arbeitet er. Debbie erkennt dann auch schnell ein Muster bei den Männern, die Tötungssequenzen mit Werkcharakter schaffen: „it’s kind of prosaic that it’s always the mother“. Holden und Bill arbeiten sich an ihrem Vorgesetzten ab. Dauernd müssen sie vorsprechen.

Mindhunter 1.4

Bill und Holden haben ein neues vereinfachendes Wording für ihre Arbeit: sie kommen dazu, wenn ein Fall einen „sexual angle“ hat. Das ist bei einer jungen Frau in Pennsylvania eindeutig der Fall: der Kindergärtnerin Beverly Jean wurden post mortem die Brüste amputiert. Die Sache in Altoona („consulting with local police“) wird sich hinziehen. Bill Tench bekommt ein Privatleben. Song (sehr ironisch): Calling Occupants of Interplanetary Craft von Klaatu.

Mindhunter 1.5

Neue Kategorien für die OEuvrisierung von Sequenztötungsdelikten: „systematic/antisystematic“, „organised/disorganised“. Eine „taxonomy“ für den „sexual angle“ entsteht. Beiläufig erwähnt Debbie ihren vollen Namen: Deborah Mitford. Musik: Fox on the Run (The Sweet). Frage an Holden: „Ever tired of thinking?“ „Never.“ Das tote Mädchen Beverly Jean „was easy“ (Bill gleich darauf deutlicher: „a slut“). Damit ist ein Thema gesetzt: sexuelle Erfahrung, ein stressor, wenn andere mehr davon haben. Holden würde gern die Anzahl der Sexualpartner von Debbie erfahren. Keine Chance.

Mindhunter 1.6

Die Arbeit der Behavioral Science Unit „übersetzt“ sich nicht in die Institutionen. Ein Staatsanwalt ruiniert mit einem „plea bargain“ die Täteranalyse im Fall Benji. Holden hat keinen gaydar: ihm schwant nicht, dass Wendy in einem „closet“ leben könnte, das hier zu Albatross von Fleetwood Mac kurz geöffnet wird. Wendy lebt mit der Akademikerin Annaliese zusammen, eine Minute bei einer typischen Abendgesellschaft reicht dann, damit sie ihren Entschluss fällt: für das andere „closet“, für das Bureau (im Keller), für Quantico. Die BSU muss wissenschaftlicher werden: für ein „consistent data set“ braucht es ein „questionnaire“, man kann nicht einfach so einfühlend dahinfragen wie Holden.

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