Filme und Folgen (5)

Notizen: Juli 2018

Sneaky Pete 2.2-10

Das Mienenspiel von Giovanni Ribisi wird immer extremer, angesichts der Bredouillen, in die er und alle anderen verwickelt sind. In Folge 7 fällt der Name des berühmten Illusionisten, mit dem Sneaky Pete sich erzählerisch messen will: David Copperfield. 11 Millionen Dollar befinden sich in einem ausgestopften Bison, der in einem hochgesicherten Casino auf- und ausgestellt ist. Der Schurkenzusammenhang um den Montenegriner Luka Delchev mit seiner Mokkasucht erweist sich als eher lächerlich. Spannender als der Heist (der aber auch einige komische Höhepunkte hat) ist die Familiengeschichte: Bernhardt Bail Bonds als Knotenpunkt einer durch und durch korrupten Kleinstadtwelt. Das Motiv der vertauschten Brüder mit einer brillanten Schlusspointe, die alle Möglichkeiten offen lässt für eine dritte Staffel. Die noble Romanze der Polizistin aus der Stadt mit dem Kollegen aus der Gegend, der sowieso eine meiner Lieblingsfiguren ist: Shane McRay als Taylor. In das Säurebad kommt schließlich das richtige Opfer. (Amazon Prime)

Miss Sueno (Kurzfilm, Radu Potcoava, Rumänien 2017)

Roxana, eine Blondine aus der Kleinstadt Fagaras in Zentralrumänien, wird am Nachmittag nach Madrid fliegen. Sie ist in Gesellschaft von Dan (Bogdan Dumitrache), der ihre Reise eingefädelt hat. Vor dem Start machen sie noch Halt bei Dan zu Hause - eine neureiche Wohnung in Bukarest. Dans Freundin hat Mittagessen gemacht. Roxana soll sich entspannen, vor allem soll sie die Papiere abgeben. Ein Dimi taucht auf, aus Telefonaten und Andeutungen wird (für das Publikum) klar, dass Roxana in die Prostitution gebracht werden soll. Sie telefoniert mit ihrem Freund Marius, will ihren Ausweis behalten. Dan wird rabiat. Letztes Bild: Roxana in Gedanken auf dem Bett, Kopf (im Bild) nach unten. Sie stürzt im Liegen in die Falle. (Festivalscope)

Faccia a faccia (Sergio Sollima, Italien 1967)

Ein Italo-Western, der in einem Hörsaal beginnt: Der Historiker Brad Fletcher (den Namen der Stadt - Boston - erfahren wir erst später) verabschiedet sich, er geht nach Westen, seiner Lunge wegen, wir sehen ihn in Texas wieder, mit Taschentuch auf dem Kopf, denn es ist heiß. Eine Polizeieskorte mit einem gefangenen Banditen macht an der Station im Niemandlands Halt, wie es sich ergibt, ist Fletcher kurz darauf Geisel und mit Beau Beauregard Bennett (großartige Frisur: Tomas Milian) unterwegs zu einem abgelegenen Ort namens Pietra di Fuoco (Feuerstein). Die Außenaufnahmen mit dieser Kolonie von Schutzbefohlenen sind großartig. Die einfachen Leute dort stehen unter dem Schutz einer Bande: Die „Wild Gang“ („branco selvaggio“) muss sich erst wieder zusammenfinden, die besitzende Klasse hat Pinkertons auf sie angesetzt. Brad (Gian-Maria Volonté), der immer als „professore“ angesprochen wird, wandelt sich allmählich vom Weichei zu einem radikalen Rädelsführer; der Intellektuelle findet im bewaffneten Kampf eine neue Legalität: „individuelle Gewalt ist ein Verbrechen, Massengewalt macht Geschichte“. Im Grunde ein Western über Theorie und Praxis. Beau ist derjenige, der das alte Westernethos beherrscht, er tut Dinge, „weil sie richtig sind“. Fletcher dagegen hat „tante cose grandi“ im Sinn, und geht zu weit. Der Schlüsselbegriff ist von Beginn an „Geschichte“ („storia“): „E molto doloroso che io debba interrompere cosi bruscamente il mio corso di storia.“ Der Lungenkranke sucht also vor allem eine Gelegenheit, seinen „parte nella storia“ zu finden, seinen „corso“ wiederaufzunehmen („riprendere“). In Texas findet er die entsprechende (Guerilla-)Bewegung, es fehlt ihm aber an natürlicher Qualifikation. Diese Qualifikation bietet nur der Western selbst. (DVD Eureka)

Lone Star (John Sayles, USA 1996)

Einer der besten Filme über die Grenze zwischen den USA und Mexiko: Sayles erzählt von zwei Ländern und zwei Zeiten, alles ineinander verschränkt, mit einem archäologischen Interesse, erzähltechnisch hoch bewusst, an der Grenze der Spielfilmform zur Serie (Lone Star konzentriert auf zweieinviertel Stunden so viel Geschichte, dass sich das auch vielfach entfalten ließe), und am Ende gibt es eine Erkenntnis, die ursprünglich tragisch zu werten ist, die aber zugleich erkennen lässt, dass Menschwerden immer „miscenegation“ ist  - wenn zwei Staaten miteinander ein Kind kriegen könnten, dann sollte es so ein Film sein. (DVD)

Viajo Porque Preciso, Volto Porque te Amo (Karim Ainouz, Marcelo Gomes, Brasilien 2009)

I Travel Because I Have To, I Come Back Because I Love To. Ein Film, der mit einer Stimme spricht, und Bilder auf dem Weg durch den Nordosten Brasiliens sammelt: ein Geologe soll einen Kanalbau durch eine extrem trockene Landschaft vorbereiten, er ist für einen Monat auf sich allein gestellt, aus Fortaleza hängt ihm eine (gescheiterte) Liebesgeschichte nach. Man sieht diesen Landvermesser nie, man hört ihn nur, und man sieht das, was er sieht: stinkende Lastkraftwagen auf endlosen Landstraßen; Frauen an Tankstellen, die ihm von ihren Träumen erzählen, und gegen Geld mit ihm die Nacht verbringen; Familien in desolaten Quartieren im Niemandsland (von einer jungen Frau erfahren wir, dass sie ein bestimmtes Buch immer wieder liest: Dom Casmurro von Machado de Assis). Die Fahrt endet an einer Flussmündung in einer Stadt, die dem Untergang (durch Überflutung) geweiht ist. (Datei)

Must Love Kubrick (Alma Andreescu, Rumänien 2018)

Ben, „from the UK“, lebt aus nicht näher deklarierten Gründen in Bukarest, und frequentiert dort das Kino Elvire Popesco. Seiner Freundin Ruxi geht er auf die Nerven mit seiner Vorliebe für Kubrick, die darauffolgenden Dates, alle in diesem Kino, sind von den typischen Kalamitäten geprägt, die gemeinsames Filmeschauen so schwierig machen: eine will Popcorn, eine verehrt im Übermaß Woody Allen („sometimes I think I’m in a scene from Annie Hall“, diese Dialogzeile kann man als Leitmotiv für Must Love Kubrick nehmen), mit einer kommt Ben fast hinter die Klischees, sie macht dann aber einen Fehler mit dem Mobiltelefon. Die Pointe ist eher merkwürdig: Kompromisse mit Home Cinema würde man von Ben eher nicht erwarten. (Festivalscope)

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